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Dr. Dormagen-Guffanti-Stipendiatin

„Puppenfreude“

Puppenfreude

(13. Oktober 2011) Am SBK-Standort Longerich wird am 14. Oktober um 16.30 Uhr die Ausstellung der Stipendiatin der Dr. Dormagen-Guffanti-Stiftung, Anna González Suero eröffnet. Es handelt sich hierbei um die Videoinstallation „Puppenfreude“ die in Zusammenarbeit mit drei Bewohnerinnen des Städt. Behindertenzentrums Longerich entstanden ist. Die Ausstellung ist zudem geöffnet vom 15. bis 23. Oktober (Mo. – Sa. 16 – 18 Uhr, So. 13 – 17 Uhr). Das Stadtmagazin „KölnerLeben“ berichtet in seiner aktuellen Ausgabe ausführlich über das Projekt – den Text „Geheimes Einvernehmen“ von Jürgen Schön dürfen wir an dieser Stelle übernehmen. Als Audio-Datei im MP3-Format finden Sie den Artikel hier…

Geheimes Einvernehmen

 

Ja, es könnte so etwas wie Liebe auf den ersten Blick gewesen sein. So beschreibt die Videokünstlerin Anna Gonzalez Suero, wie sie die drei Protagonistinnen für ihre Filme gefunden hat. Die US-Amerikanerin ist die diesjährige Dormagen-Guffanti-Stipendiatin. Die Verbindung von dokumentarischer und künstlerischer Arbeit, dazu die Auseinandersetzung mit behinderten Menschen – diese Mischung hatte die Jury überzeugt. Insbesondere lobte sie die „besondere Sensibilität der Künstlerin für Menschen, die nicht auf gewöhnliche Art kommunizieren können“.

 

Verbunden mit dem lukrativen Stipendium ist der Wunsch, zusammen mit den Bewohnern des Dormagen Guffanti Hauses der Sozialbetriebe Köln (SBK) im Norden Kölns ein Kunstwerk zu erstellen. Manche Stipendiaten machen dann einen Aushang. Gonzalez streifte lieber durch die langen Gänge des Behindertenzentrums und den üppigen Garten. Und da passierte es eben. Ein Blickkontakt – und das geheime Einvernehmen war hergestellt. Mit Rita, die sich nie von ihrem „Waldbär“ trennt, einem inzwischen dreieinhalb Jahre alten Teddybär. Mit Andrea, die immer eine kleine, von ihrer Mutter gestrickte Puppe, mit sich trägt. Oder mit Sawra, die mit ihrer Familie aus dem Irak geflohen ist. Frauen, mit denen zu kommunizieren schwerfällt, sei es, dass ihre Sprache unverständlich ist, sei es, dass sie sich in die Stille zurückgezogen haben. Wollte man sie in eine Schublade stecken, stände darauf „Geistige Behinderung“.

Doch Gonzalez hat den Zugang zu ihnen gefunden. Sie geht mit ihnen spazieren, macht dabei Fotos und dreht einen Videofilm. In einem separaten Film wird sie zeigen, wie Andreas Mutter fast täglich eine neue Puppe strickt, für sie ein Weg, ihrer Tochter nahe zu kommen. Außerdem wird sie noch festhalten, wie in den SBK-Werkstätten gearbeitet wird. „Die Kamera ist mein Mittel der Kommunikation“, erklärt sie. Studiert hat sie das in New York, Amsterdam und zuletzt an der Kunsthochschule für Medien in Köln.

Mit solchen Filmen wird die 31-Jährige regelmäßig zu den wich- tigen internationalen Festivals eingeladen. So mit „Herr Mathes“, dem Porträt eines Mannes, der nach einem Schlaganfall fast nur noch „ja“ und „nein“ sagen kann, dem sich aber das Schlaf lied „Guten Abend, gute Nacht“ eingeprägt hat. Das hat er früher immer seinem Sohn vorgesungen. In „Was bleibt“ erklären Demenzkranke Sprichwörter, für Gonzalez stellt die alte Generation damit eine Verbindung zu den Jüngeren her, die diese Sprichwörter und die damit verbundene Lebenserfahrung nicht mehr kennen. Beeindruckt hat die Jury des Dormagen-Guffanti-Stipendiums der Film „Heidi“, in dem eine Schauspielerin den klischeehaften Blick des Kinos auf Menschen mit körperlicher Behinderung nachspielt. Was Gonzalez an diesem Thema so fasziniert? Wie ist sie auf Rita, Andrea und Sawra gekommen? Es dauert etwas, bis die zierliche Frau antwortet. „Ich glaube, dass es da Ähnlichkeiten mit mir gibt. Ich finde einen Teil von mir in ihnen wieder.“ Sie nennt Sensibilität und Verletzlichkeit. Ein Gefühl von Alleinsein. Aber ebenfalls die Lust an Spaziergängen. Und sie selber habe auch sehr lange mit Puppen gespielt. Auch die geschützte Welt, in der die Menschen hier leben, scheint sie anzuziehen.

Rita jedenfalls, so hat es ihre Betreuerin Ans Eckert-Kleijwegt beobachtet, macht die Zusammenarbeit mit der Videokünstlerin großen Spaß. Damit wird bestätigt, wovon der Arzt Hubert Dormagen schon Ende des 19. Jahrhunderts überzeugt war: dass Kunst nicht nur für Gesunde, sondern auch für Kranke lebenswichtig ist und heilende Kräfte besitzt. 1883 hatte er der Stadt Köln sein gesamtes Vermögen mit der Auflage vermacht, eine Stiftung zur Pflege Behinderter zu gründen. 1913, 27 Jahre nach seinem Tod, wurde dann das „Krüppelheim“ am Lachemer Weg eröffnet. Seine umfangreiche Kunstsammlung fand dort eine neue Heimat.

1953 wurde die Dormagen-Stiftung mit der von Anton Guffanti zusammengelegt, die dem gleichen Zweck gewidmet war. Träger des Hauses sind heute die Sozialbetriebe Köln. Auf dem Gelände im Norden Kölns leben 50 schwerst- und mehrfach behinderte Erwachsene.

Nicola Dormagen rief 1997 das Dormagen-Guffanti-Stipendium ins Leben. Die Künstlerin, selbst mit dem begehrten Gabriele-Münter-Preis ausgezeichnet, wollte damit an das Kunstverständnis ihres Vorfahren erinnern. Das Stipendium wird seitdem jedes Jahr bundesweit für eine andere Kunstsparte ausgeschrieben. Nach Malerei, Fotografie, Skulptur/ Installation war in diesem Jahr Video/ Videoinstallation an der Reihe. „Künstlerische Betätigung hat ausgesprochen positive Effekte auf behinderte Menschen. Deren Einbindung in ein künstlerisches Projekt ist daher eine Form der Förderung und Unterstützung“, heißt es in der Ausschreibung. Und weiter: „Die künstlerische Arbeit muss etwas mit Menschen mit Behinderung zu tun haben oder für Menschen mit Behinderung gedacht sein.“

Aus: KölnerLeben 5/2011 (JS)

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